25 Jahre Hospizbewegung St. Josef in Friedrichshafen

Ein tieferes Verständnis für das Leben

Die Hospizbewegung St. Josef Friedrichshafen feiert in diesem Jahr ihr 25-jähriges Jubiläum. Beim Festakt im Haus der kirchlichen Dienste berichteten die Gründungsmitglieder Otto Saur und Diakon Bernd Strohmaier von der Anfangszeit. Impulse für die tägliche Hospizarbeit und für die Zukunft setzten Susanne Kränzle, stellvertretende Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbandes Baden-Württemberg, und Professor Dr. Andreas Heller von der Universität Klagenfurt/Wien/Graz.

Im Gespräch mit Ärztin Dr. Elvira Kern-Nagel erinnerten sich Otto Saur und Diakon Bernd Strohmaier an den Anfang der Hospizbewegung St. Josef, die aktuell 242 Mitglieder zählt. „Ich war damals Krankenhausseelsorger und musste erleben wie jemand im Dreibettzimmer stirbt, während rechts und links von ihm das Essen gereicht wird“, blickt Diakon Strohmaier zurück. Ihm sei schlagartig klar geworden, dass es so nicht gehe. Um sterbende Menschen zu begleiten habe ein Krankenhaus aber weder Zeit noch Ressourcen. In einem Brief an Monsignore Norbert Huber, dem damaligen Vorstand der Stiftung Liebenau, formulierte er seine Bitte, ein Hospiz auf den Weg zu bringen, in dem Sterbende die letzten Tage in Würde verbringen und Angehörige in Ruhe Abschied nehmen können. Hubers Antwort habe gelautet: „Ganz klar, natürlich machen wir das.“
In Otto Saur, damals Geschäftsführer der AOK Friedrichshafen, hat Diakon Strohmaier von Beginn an einen engagierten Mitstreiter gefunden. „Eigentlich sollte ich ja nur bei der Formulierung der Vereinssatzung helfen“, berichtete Saur im Interview. Aber der Funke sei schnell übergesprungen. Bis 1998 war Saur Vorsitzender der Hospizbewegung, ihm folgte Diakon Strohmaier für die nächsten sieben Jahre. „Anfangs war unsere Hauptaufgabe, ehrenamtliche Helfer zu finden und die Idee in die Öffentlichkeit zu tragen“, erinnerte sich Saur. Unterstützt wurden sie unter anderem von Schwester Maria Veronika Winkler, Pfarrer Klaus Brune und Wilma Heiliger.

Sterben an der Hand eines Menschen

Diakon Strohmaier schilderte ein Beispiel, das zeigt, wie wichtig die Hospizarbeit ist: „Ein Ehemann konnte von seiner sterbenden Frau nach der Verlegung vom Krankenhaus ins stationäre Hospiz im Franziskuszentrum zehn Tage lang Abschied nehmen und beschrieb diese Zeit als die kostbarste seines Lebens.“ Spätestens da habe er gewusst, wie wichtig diese Einrichtung sei. Beim Blick in Richtung Zukunft grenzte Otto Saur die Hospizarbeit klar von der aktiven Sterbehilfe ab: „Sterben soll auch künftig nicht durch die Hand, sondern an der Hand eines Menschen geschehen“, so sein Wunsch. Diakon Strohmaier wünscht sich für die Zukunft eine bessere Verzahnung zwischen Krankenhaus, Sozialstationen und Hospiz. Er befürchte, dass Hospize ähnlich wie Krankenhäuser unter Kostendruck kommen. „Im Sinne der Menschwürde muss die Freiheit im Hospiz erhalten bleiben“, so sein Wunsch.

Wir wissen nicht, wie Sterben geht

Susanne Kränzle unterstrich, dass es bei der hospizlichen Haltung radikal um den betroffenen Menschen gehe. Es tue unglaublich gut, wenn jemand ohne Zweck und Ziel einfach da sei, um Zeit zu schenken. „Jeder sterbende Mensch soll das bekommen, was er braucht. Aber davon sind wir noch weit entfernt“, sagte die stellvertretende Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbandes Baden-Württemberg und Leiterin des Hospizes in Esslingen. Gleichzeitig forderte sie zu einer gewissen Demut auf. „Wir wissen nicht wie Sterben geht. Wir sind alle noch nicht gestorben.“

Tieferes Verständnis für das Leben

Professor Dr. Andreas Heller konstatierte, dass die Zeit Anfang der 1990er Jahr reif für Hospize geworden sei. „Man kann sich gar nicht vorstellen, dass es einmal Wiederstände gegen diese Bewegung gegeben hat.“ Der Grund: Hospize wurden gedanklich mit Sterbekliniken und Euthanasie in einen Topf geworfen. „Die Auseinandersetzung mit dem Thema Sterben war überschattet von der Zeit des Nationalsozialismus“, so Professor Heller. Der Tod sei im Krankenhaus quasi als Betriebsunfall etikettiert worden. „Pioniere wie sie haben erkannt, dass es so nicht geht“, wandte er sich an Otto Saur und Diakon Strohmaier. Orte freundschaftlicher Sorge entstehen zu lassen sei ein Verdienst der Hospizarbeit. „Sie trug dazu bei, ein tieferes Verständnis für das Leben zu entwickeln.“
Vorsitzende Brigitte Tauscher-Bährle dankte den zahlreichen Ehrenamtlichen und Freunden der Hospizbewegung St. Josef. „Wenn Sie heute nur einen guten Gedanken für die tägliche Arbeit mitnehmen können reicht es aus“, gab sie nach der Veranstaltung mit auf den Weg. Musikalisch begleiteten Diakon Ulrich Föhr am Klavier und sein Sohn Quentin an der Oboe die Veranstaltung.

Claudia Wörner

„Hospize sind Lern- und Übungsorte für eine individuelle und kollektive Haltung und eine bessere Empathiefähigkeit.“
Susanne Kränzle, stellvertretende Vorsitzende des Hospiz- und Palliativverbandes Baden-Württemberg

„Die Schulmedizin versucht immer noch den Tod kriegerisch zu bekämpfen. Hospizarbeit versucht Frieden mit dem Tod zu schließen.“
Professor Dr. Andreas Heller von der Universität Klagenfurt/Wien/Graz